Die Frauenzentrale Zürich hat im Juni mit der Kampagne «Stopp Prostitution» die Diskussion über das schwedische Prostitutionsverbot neu lanciert. Aus diesem Anlass stellt Infosperber den Beitrag «Prostitution — Kein Gewerbe wie jedes» vom März noch einmal online. Carola Meier-Seethaler ist Erstunterzeichnerin des «Appells gegen Prostitution», initiiert von Alice Schwarzer im Oktober Sie hat sich als Philosophin und Psychologin immer wieder mit patriarchalen Strukturen und Denkmustern unserer Kultur beschäftigt, insbesondere in ihrem Hauptwerk «Ursprünge und Befreiungen — Eine dissidente Kulturtheorie». Die übliche Rede von der Prostitution als dem ältesten Gewerbe der Welt ist schlicht falsch, weil historisch unhaltbar. Das Feilbieten des weiblichen Körpers zur sexuellen Dienstleistung lässt sich erstmals für die jüngere Periode der mesopotamischen Hochkulturen nachweisen. Dazu hat die bekannte Historikerin Gerda Lerner durch umfassende Quellenstudien aufgezeigt: Im Zuge erster Eroberungskriege im Laufe des 3. Darunter waren besonders viele Frauen, welche die Sieger nicht nur zu niedrigen Arbeiten, sondern auch zur sexuellen Verfügbarkeit zwangen. Sexualriten sind keine Prostitution Von dieser Zwangsprostitution bis zur Prostitution als freies Gewerbe war es noch ein langer Weg. Prostitution ist strikt zu unterscheiden von der viel älteren Tradition sakraler Sexualriten in den mesopotamischen Stadtstaaten. Dort wurden Grosse Göttinnen als Schirmherrinnen von Mensch und Natur verehrt, und die Königsmacht durch die «Heilige Hochzeit» begründet. Die Inthronisation des jungen Königs erfolgte durch den sakralen Sexualakt mit der Hohepriesterin als Stellvertreterin der Göttin, und anlässlich dieses Festes gab es den ekstatischen Mitvollzug der sexuellen Vereinigung unter den Menschen im Umkreis des Tempels. Mit Hilfe der vitalen göttlichen Kraft sollte die Fruchtbarkeit des gesamten Lebens, auch auf den Feldern und bei den Viehherden, garantiert werden. Spätere Geschichtsschreiber missdeuteten Darstellung Von Frauen Als Entwertete Huren «Sexualfrömmigkeit» Heinz Hunger: Die Heilige Hochzeit, als Tempelhurerei, obwohl in Sumer und Babylonien Töchter aus der Oberschicht als hoch angesehene Priesterinnen sexuelle Riten in den Tempeln vollzogen. Entgegen anderer Behauptungen betont Gerda Lerner, die gewerbliche Prostitution sei nicht aus der sakralen Prostitution ableitbar. Sie entstand unabhängig davon erst im Laufe des Darstellung Von Frauen Als Entwertete Huren. Nach der Errichtung einer rigiden Klassenherrschaft setzte sich der Personenkreis käuflicher Frauen zum einen aus ehemaligen Haussklavinnen und zum andern aus den Töchtern verarmter Unterschichten zusammen. Gewinnsüchtige Herren verschacherten ihre Sklavinnen an dafür eingerichtete Bordelle, während Töchter verarmter Bauern ihre sexuellen Dienste in der Stadt bei Tempelfesten und anderen gesellschaftlichen Treffen anboten oder von den eigenen Vätern aus Existenznot an entsprechende Einrichtungen verkauft wurden. Von freiem Gewerbe konnte also noch lange nicht die Rede sein. Trennung zwischen «anständigen» und «unsittlichen» Frauen Das mittelassyrische Gesetz um v. In dieser wird festgelegt, dass Gattinnen, Witwen und Töchter eines Bürgers auf der Strasse ihren Kopf verhüllen müssen, dies aber Nichtverheirateten der Unterschicht und Sklavenmädchen strikt verboten ist. Alle Frauen, die nicht unter dem Schutz und der sexuellen Kontrolle eines Mannes standen, wurden als «öffentliche Frauen» stigmatisiert und ihnen das Tragen des Schleiers unter Androhung strenger Prügelstrafen verboten. Mit diesem Gesetz wurde die äusserlich ablesbare Grenze zwischen «anständigen» und «unsittlichen» Frauen gezogen, zwischen tugendhaften Angehörigen und willfährigen beziehungsweise willkürlich benutzbaren Sexobjekten. Seitdem gehören Einrichtungen für Prostitution zu den Grundpfeilern der patriarchalen Gesellschaftsordnung. Bis heute hat sich nicht nur im inzwischen islamisch geprägten Nahen Osten die Ambivalenz gegenüber der — im Grunde beängstigenden — erotischen Ausstrahlung der Frau erhalten. Auch europäische Männer befinden sich im Konflikt zwischen sexueller Abhängigkeit und dem Bedürfnis nach distanzierter Überlegenheit, woraus die käufliche «Liebe» einen Ausweg zu bieten scheint. Zum einen ist Bezahlung von sexuellen Diensten ein Mittel, sich die Macht über Darstellung Von Frauen Als Entwertete Huren andere Geschlecht zu sichern, zum andern bestärkt sie das männliche Potenzbewusstsein, weil es zur Praxis der Prostituierten gehört, ihren Kunden den eigenen Lustgewinn vorzugaukeln. So kommt für den Freier zum Ausleben sexueller Phantasien — oft genug geprägt von harter Pornographie — die schmeichelhafte Illusion hinzu, ein guter Liebhaber zu sein. Kurz: Sexuelle Dienstleitung als Arrangement von Betrug und Selbstbetrug gegen Bezahlung. Freiwillige Sexarbeit Bekanntlich ist die Anti-Prostitutions-Kampagne die Antwort auf den globalen Frauenhandel und die damit entstehende Zwangsprostitution von Frauen aus den ärmsten Ländern. Dabei fokussiert Alice Schwarzer die Debatte auf den Zusammenhang zwischen zunehmender Aufblähung des Sexgewerbes und der liberalen Gesetzgebung in Deutschland seitdie Bordellbetreibern sowie Zuhältern die schamlose Bereicherung erleichtert und die Aufdeckung krimineller Machenschaften erschwert. Eine Gruppe links gerichteter Feministinnen bezweifelt diesen Zusammenhang wie auch die von Schwarzer beigebrachten Zahlen. Nach Lage der Dinge kann es sich nur um Schätzungen handeln, doch ist die Dunkelziffer hoch und die Annahme berechtigt, dass über zwei Drittel der in Deutschland arbeitenden Prostituierten Ausländerinnen sind, die unter entwürdigendsten Bedingungen ausgebeutet werden. Die Befürworterinnen einer selbstbestimmten Sexarbeit, die von Zwangsprostitution grundsätzlich zu unterscheiden sei, unterschätzen nicht nur die dazwischen liegende Grauzone, sondern gehen auch mit dem Begriff der Freiwilligkeit recht summarisch um. Auch in der Schweiz gibt es den sprunghaften Anstieg von ausländischen Sexarbeiterinnen. Allein in der Stadt Bern hat sich deren Zahl aus südeuropäischen Ländern während der letzten Jahre mindestens verzehnfacht Der Bund5. Juli Dies als Folge von Finanzkrise und hoher Arbeitslosigkeit, aber auch infolge der sehr leicht zu erwerbenden Bewilligungen.
Wen meinen Sie mit den Autoren? Copyright c by H-NET, Clio-online and H-Soz-Kult, and the author, all rights reserved. Geforscht ist nun mal geforscht. Wie ist es möglich, dass in unserer europäischen Gegenwart, in der es so viel sexuelle Freiheit gibt wie nie zuvor, gekaufte Sexualität einen derart grossen Raum einnimmt? Es werden dort sogar Argumente für die Würde der HS erörtert.
Kommentare zu diesem Beitrag
Schirmherrschaft eines bestimmten Mannes zu gesellschaftlichem Ansehen kommt, sind. Da. Rolle der Hure mit dem goldenen Herzen dargestellt wird, die unter der. Sie. Darstellung der Frauen auch als Ansatz zu einer Sozialkritik Im Circe-Kapitel findet sich eine weibliche Dreiergruppe in Gestalt der drei Huren Kitty. Die Frauen der „Hurenbewegung“ erklärten, ihre Arbeit sei das „Mittel“, „das wir gefunden haben, um mit dem Leben fertig zu werden“. Selber habe ich in Staatsarchiven über die Schweizer Dorfhuren des Jahrhunderts recherchiert, in den Kantonen Aargau, Luzern und Bern.Ich schlage vor, wir gründen ein Chor und posaunen vor uns hin: Wir fordern bedingungsloses Grundeinkommen gemeinsam mit Ch. So erführen in Deutschland Freiheit und Selbstbestimmung eine höhere Bewertung, während der Staat keine Verantwortung für gesellschaftliche Normen übernähme. Man sollte ev. Im unschuldigen Vergnügen bei Tanzmusik und Unterhaltung war auch Raum für Gesten der Eindeutigkeit, die mit jährigem Abstand erst auf den zweiten Blick als solche erkennbar sind. Es ist möglich, dass Sie auch dazu was zu sagen haben. Deshalb ihr Argument: Nur wenn Sexarbeit gesellschaftlich voll anerkannt sei, könnten Prostituierte ihre Rechte auch öffentlich einfordern. In einem ehrbaren Raum wurden so auch als unehrbar gekennzeichnete Räume sichtbar, die sich zwischen den abgebildeten Männern und Frauen auftaten. Hier stimmen wohl alle in der Gesellschaft überein. Merken Sie etwas? Aber verweigert euch, wenn ihr keine Lust habt. Mein Vater war ein Trinker. Von den Schmerzen und die Hintergründe, die viele Frauen in dem Bereich haben, gar nicht erst zu reden. Wer Theunert z. Eine Frau, die Gewaltsituationen erlebt, systematische Gewalt oder sexuelle Folter in der Kindheit überlebt oder in strukturellen Gewaltverhältnissen ihre Standorte sucht, ist nicht Opfer. Wütend macht mich das Abwürgen jeder kritischen Positionierung zu Prostitution mit dem Vorwurf der Opferzuschreibungen, gerade weil ich mich selbst immer gegen solche Zuschreibungen abgrenze. Ja Nein. Bis in die er Jahre war Prostitutionsforschung vornehmlich Devianzforschung. Daher ist es nicht leicht, diesen Kreislauf zu durchbrechen. Das Hybride, das Spiel zwischen Zeigen und Verbergen, zwischen Sein und Schein, zeichnet die Prostituierte sowohl im wahren Leben als auch in den Dar-stellungen aus, in denen sie zum Abbild eines für den Freier inszenierten Schau-spiels wird. Daher auch mein Satz, dass Freier im Grunde bemitleidenswert sind, wirklich auch in ihren Handlungen keinesfalls selbstbestimmt. Document Type Doctoral Thesis. Deshalb setzen sich viele Frauenorgas auch lieber für Frauen in anderen Ländern ein als die Gewalt hier und die Vergewaltigungen in Deutschland anzugehen. Danke und ein Bravo an die Autoren. Dort ging es im Prinzip genau darum: permanente Verfügbarkeit, Kippeln am Existenzminimum, der dauernde Missbrauch — diesmal nicht des Körpers sondern der Kreativität unter anderem durch Wohltägigkeitsorganisationen die Bitte an Künstler, irgendein Kunstwerk für karitative Zwecke zu spenden… etc. Abgründiger Körper. Und ein Mann, der da nicht mitmacht, ist eine Bedrohung für das Selbstbild der anderen. Alle Frauen, die nicht unter dem Schutz und der sexuellen Kontrolle eines Mannes standen, wurden als «öffentliche Frauen» stigmatisiert und ihnen das Tragen des Schleiers unter Androhung strenger Prügelstrafen verboten. Nochmals ein Schilderungs-Versuch mit dem Biologen S. Auch in der Schweiz gibt es den sprunghaften Anstieg von ausländischen Sexarbeiterinnen. Language de. Und das ist die These, dass in einem patriarchal-kapitalistischen System die entfremdete, durch strukturelle Gewalt geprägte Beziehung schlicht und einfach die Regel ist. Neben dem, was offen thematisiert werden darf, wird dabei eben auch das sichtbar, was in der Sphäre des Politischen im Rahmen der Regulierungsbemühungen dethematisiert wird, wo sich Widersprüche und Inkongruenzen manifestieren. Meier: Sie schreiben: "Wer Theunert z.